Sunday, September 4, 2016

Ebbe in der Oder stoppt Schiffe - Artikel Märkische Oderzeitung 30.August 2016

Eisenhüttenstadt (MOZ) Das anhaltende Niedrigwasser der Oder stoppt die Güterschifffahrt, aber mittlerweile sogar Hobbykapitäne. Am Dienstag waren gerade einmal 90 Zentimeter Wasser in der Fahrrinne. Zu wenig, auch für ein Eisenhüttenstädter Unternehmen.

















Nichts geht mehr: Stefan Werner von der Firma Kulle in Eisenhüttenstadt macht das Motorschiff fest. © MOZ

"Wir haben heute entschieden, dass es nicht mehr geht", erklärt Elisabeth Kulle, Geschäftsführerin der Kulle Tief-, Wasserbau- und Schifffahrts GmbH in Eisenhüttenstadt, am Dienstag. Das Schiff, das täglich zwischen Eisenhüttenstadt und Lebus gependelt ist, um Wasserbausteine zu liefern, die das Wasser- und Schifffahrtsamt im Oderbruch verbaut, liegt jetzt am heimischen Liegeplatz. Der Grund? Die Oder führt schlicht zu wenig Wasser. "Wir brauchen mindestens einen Meter", betont Elisabeth Kulle. "Heute waren es 90 Zentimeter in der Fahrrinne." Das ist zu wenig. So läuft vor allem das beladene Schiff Gefahr sich festzufahren. Schon im vergangenen Jahr hat das Unternehmen Erfahrung mit dem Niedrigwasser machen müssen. "Bis Oktober oder November müssen wir jetzt bestimmt warten. Ich habe wenig Hoffnung, dass das Wasser vorher nochmal steigt", sagt Elisabeth Kulle.
 
Sebastian Dosch, Sprecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) in Eberswalde, bestätigt: "Ja, wir haben derzeit Niedrigwasser in der Oder." Seit Anfang August wurden ihm zufolge stabil niedrige Fahrrinnentiefen, das heißt für die Schifffahrt nutzbare Wassertiefen, gemessen. Dosch weist darauf hin, dass die Wassertiefe sich von dem sogenannten Pegelstand unterscheidet, der fälschlicherweise oft als Synonym verwendet werde. Mithilfe einer Pegellatte, die einen festgelegten Nullpunkt hat, der beispielsweise auch mehr als einen Meter über der Gewässersohle liegen kann, wird die Wassertiefe vom Pegel lediglich abgeleitet.
 
"Die aktuellen Fahrrinnentiefen bewegen sich inzwischen unterhalb von einem Meter. Im Jahr 2015 hatten wir allerdings noch schlechtere Werte mit Extremniedrigwasserständen", sagt Sebastian Dosch. Damit sei die Oder für die Güterschifffahrt quasi nicht mehr nutzbar. Sogar für die Freizeitschifffahrt würden diese niedrigen Werte bei größeren Booten bereits "problematisch" sein. "Die Entscheidung, ob auf der Oder gefahren werden kann, trifft der Boots- oder Schiffsführer. Die Oder wird wegen des Niedrigwassers nicht gesperrt", betont der WSA-Sprecher und fügt hinzu: Da in Höhe Eisenhüttenstadt in der Regel schlechtere Fahrrinnentiefen auf der Oder verfügbar seien, orientiere sich die Güterschifffahrt tendenziell nördlich über die Havel-Oder-Wasserstraße Richtung Stettin, gebenenfalls über die Hohensaaten-Friedrichthaler-Wasserstraße. Diese sei ein kanalisiertes, parallel zur Oder verlaufendes Gewässer.
 
Für die Zwillingsschachtschleuse in Eisenhüttenstadt stellt das Niedrigwasser indes keine Gefahr da. Aber auch dort ist die Ebbe in der Oder spürbar. Es wird schlicht weniger geschleust. "Die Binnenschifffahrt, aber auch die Sportschifffahrt ist zurückgegangen", sagt Schleusenmeister Thomas Steller. Im vorigen Jahr erinnert er sich an 45 Zentimeter Wasser in der Fahrrinne.
 
Wer übrigens denkt, dass die zwischenzeitlich starken Niederschläge in der Region die Oder wieder auffüllen, der irrt. "Die Regenfälle hier bewirken nichts", weiß Sebastian Dosch. Da müsse man schon nach Polen und Tschechien schauen, also zu den Zuflüssen zur Oder. Auf den Oder-Spree-Kanal hat das Niedrigwasser des Grenzflusses auch keine Auswirkung. Um den dortigen Wasserstand gewährleisten zu können, wird dem Kanal über das Pumpwerk der Schleuse Neuhaus und den Neuhauser Speisekanal Spreewasser zugeführt. In Trockenzeiten könnte aber theoretisch über das Pumpwerk Eisenhüttenstadt auch Oderwasser zugeführt werden.