Sunday, August 24, 2014

Alter Bericht über ein im Eis eingfrorenes Binnenschiff auf dem Weg nach Eisenhüttenstadt (aus Berliner Zeitung 24.01.1997)


Von 
 
Wernsdorf. Auf eine längere Winterpause hat sich Binnenschiffer Harald Brückner eingestellt. Das Frachtschiff seiner Vaters Reiner, die "Elfrun" aus Emden, ist kurz hinter der Wernsdorfer Schleuse vom Eis eingekesselt. Trotz gestiegener Temperaturen ist das Eis noch zu dick. "Wir haben an dieser Stelle am Tag vor Weihnachten eine Rast eingelegt, am nächsten Morgen lag unser Schiff bereits fest", erzählt Harald Brückner. Zusammen mit seinem Vater war er mit Separations-Eisen, einer Art Erz, für EKO auf dem Weg nach Eisenhüttenstadt . Nun müssen sie warten, bis das Eis wieder taut oder der Schiffahrtsweg mit Hilfe von Eisbrechern freigelegt werden kann. "Das kann noch bis Mitte März dauern", befürchtet Harald Brückner. "Erst gestern habe ich mal ein Loch ins Eis geschlagen und gemessen: 35 Zentimeter dick ist die Decke hier zur Zeit." Obendrein rechnet der erfahrene Binnenschiffer nach dem vorübergehenden Tauwetter mit einer weiteren harten Frostperiode. Damit Vater und Sohn die Zeit auf der "Elfrun" nicht zu lang wird, haben sie sich auf einen Kompromiß geeinigt. "Ich bin vier Tage hier und fahre am Wochenende nach Hause. In der nächsten Woche sorgt sich dann mein Vater um das Schiff", erzählt der junge Brückner. Daß immer einer auf die "Elfrun" aufpasse, sei bei diesen Temperaturen notwendig. Um einen Schaden am Schiff zu vermeiden, müsse die Heizungsanlage zum Beispiel ständig gewartet werden. "Sollte die mal ausfallen, dann wütet der Nachtfrost." Langweilig wird es Harald Brückner auf der "Elfrun" nicht. "Ich übe seit 13 Jahren diesen Beruf aus: Da weiß ich genau, was ich gegen Einsamkeit und Langeweile unternehme." Obendrein, ist Brückner überzeugt, hätten er und sein Vater noch Glück im Unglück: "Ein Hauseigentümer gegenüber hat uns seine Hilfe angeboten: Wir können uns jetzt mit Strom von seinem Haus versorgen." Für die beiden Binnenschiffer bringt die Witterungslage dennoch hohe Umsatzeinbußen. Jeder Tag Stillstand bedeutet rund 600 Mark Verlust, kalkuliert Harald Brückner. Die heimischen Binnenschiffer seien nach Wegfall des Festfrachtsystems ohnehin geschädigt. "Jetzt legt nicht mehr die Frachtkommision fest, was für eine Ladung zu zahlen ist, sondern die verladende Wirtschaft." Die Folge, so Brückner: "Wir müssen gegen belgische Binnenschiffer konkurrieren, die billiger transportieren, weil sie weniger Auflagen haben." Im vergangenen strengen Winter hatten Harald und Reiner Brückner ebenfalls Pech. Die Schiffsschraube der "Elfrun" hatte eine unangenehme Begegnung mit einer kräftigen Eisscholle. "Die Folge davon war ein Leck in der Maschine", kann sich Harald Brückner noch lebhaft an den Unfall erinnern. Was den beiden Schiffern in der gegenwärtigen Situation zu tun übrig bleibt, so Brückner Junior: "Abwarten und Tee trinken."